Jüdisch Sein ist keine Liste von Bedingungen
Wie Deborah Feldman aus ihrem New Yorker Shtetl ausbrach und (ausgerechnet) Berlinerin wurde.
ORFAnachronistisch, unamerikanisch, total uncool – so beschreibt die Schriftstellerin Deborah Feldman sich selbst, wobei es einem schwer fällt, Dritteres gelten zu lassen. Aus ihrem großen, ovalen Gesicht mit der schwarzen Brille sprechen Intelligenz und intellektuelle Unbestechlichkeit. Keine Eigenschaften, welche die orthodoxen Satmarer Juden des New Yorker Stadtteils Williamsburg besonders gerne an ihren Frauen und Töchtern sehen.
Die Gesellschaft, in der Feldman aufwuchs, ist eine, in der Fleiß, Schweigsamkeit und ausdruckslose Mimik als weibliche Kardinaltugenden gelten. Eine, in der Ehen für einander unbekannte Jugendliche arrangiert und israelische Flaggen verbrannt werden, weil die mit dem Zionismus einhergehende Selbstermächtigung als Todsünde betrachtet wird. Der Holocaust ist omnipräsent – bis in die Schlaflieder hinein, die von Waisenkindern handeln und Müttern, die als weißer Rauch aus den Krematorien von Auschwitz aufsteigen. Den Schmerz über die Vergangenheit auf so ungefilterte Weise auf die folgenden Generationen zu übertragen, sei unsinnig, meint Deborah Feldman.
Mit dreiundzwanzig brach sie mit ihrem dreijährigen Sohn aus ihrer Ehe und der Satmarer Gemeinschaft aus. Mit ihrem autobiographischen Roman „Unorthodox“ schrieb sie einen internationalen Bestseller. Und fand in den USA doch keinen emotionalen und kulturellen Halt. Heute lebt sie in Berlin, jener Stadt, die ihre Satmarer Vorfahren als „verbrannte Erde“ ansahen. Nach ihrer langen und aufreibenden Suche nach einer Zukunft hat sie dort zu einer Alltäglichkeit gefunden, die ihr geradezu magisch erscheint.